Vergangenen Mittwoch durfte ich während der „Schmökerwoche“ der Aueschule Finkenwerder im Westen Hamburgs je eine Lesung für die beiden Vorschulklassen geben. Ein echtes Vergnügen, so eine Kinderbuchlesung in Hamburg! Und da ich immer wieder gefragt werde, wie ein solcher Lesungstag eigentlich abläuft, möchte ich heute etwas näher davon erzählen.
7:00 Uhr – Aufstehen, fertig machen, die Lesung noch einmal mental durchspielen und ein paar mühsame Stimmübungen machen, um den Schlaf von den Stimmbändern zu kratzen.
8:20 Uhr – Anreise zur Schule mit U-Bahn, Fähre und Bus. Ja, Finkenwerder ist zwar weit entfernt von mir, aber natürlich ist es ein besonderes Vergnügen, mit der Fähre zu einer Kinderbuchlesung in Hamburg anreisen zu können. Das macht sogar das frühe Aufstehen wieder wett. ?
9:30 Uhr – Ankunft an der Schule und Suche des Schulbüros. Eine äußerst nette Begrüßung durch Andrea Dennis und Mechthild Jacobs, die Organisatorin der Autorenlesungen und eine der Vorschul-Klassenlehrerinnen. Betreten der überaus schönen Schulbibliothek, deren Tür extra von den Vorschülern mit einem großen Willkommensplakat voller gebastelter Bücher geschmückt wurde. Wahnsinn! ?
Überhaupt sind Frau Dennis und Frau Jacobs überaus aufmerksam und bemüht. Sie fragen mich nach meinem Getränkewunsch, bringen mir eine Tasse wunderbaren Kräutertees, erkundigen sich, ob die Stühle so in Ordnung seien, ob ich noch etwas brauche, lassen mich in aller Ruhe die Technik checken und geben mir dann noch einen Moment für mich, um mich mental auf die Lesungen vorzubereiten. Besser kann man doch als Autor gar nicht umsorgt werden! ?
10:00 Uhr – Die Kinder der ersten Vorschulklasse kommen in die Bibliothek. Da es Winter ist und die Kleinen noch Hilfe brauchen, ihre dicken Jacken, Regenhosen, Mützen, Schals, Handschuhe und Stiefel auszuziehen, dauert es ein paar Minuten, bis endlich jeder und jede in der Bibliothek einen Platz gefunden hat. Frau Jacobs begrüßt mich noch einmal vor den Kindern, dann bin endlich ich an der Reihe.
Als Erstes stelle ich mich vor und versuche, mit den Kindern in Kontakt zu kommen und ihre Scheu abzubauen. Ich frage, wer weiß, was ein Autor macht. Wir üben das kompliziert große Wort „Illustrator“. Und natürlich kündige ich an, welche meiner Geschichten ich ihnen nun vorlesen möchte und worum es darin geht. Da es sich diesmal um das Bilderbuch Wenn Waldo Waschbär wütend wird handelt, übe ich außerdem schon einmal mit den Kindern das Knurren und Brummen. (Waldo selbst schreit in dem Buch immer wie wild herum. Aber die Lehrerinnen und wahrscheinlich auch die Nachbarklassen waren sehr dankbar, dass wir uns auf gemeinsames Knurren beschränkten. ?)
Dann geht es los mit dem Bilderbuchkino zu Wenn Waldo Waschbär wütend wird. Ich zeige alle Illustrationen des Buches und lese die passenden Abschnitte der Geschichte entweder vor oder erzähle sie frei. Zwischendurch frage ich immer wieder die Kinder, ob sie eine Idee haben, was als nächstes passieren könnte, oder was sie genau auf den Bildern entdecken können. Und natürlich wird zu Waldos Wutanfällen immer schön gemeinsam geknurrt.
Wenn die Geschichte vorüber ist, stelle ich noch ein paar Fragen, zum Beispiel was die Kinder denn selbst machen, wenn sie wütend sind. Bei etwas älteren Kindern sprechen wir natürlich auch immer noch über die Arbeit eines Autors, und es gibt eine große, große Fragerunde. („Wie kommst du auf deine Ideen?“, „Wann hast du dein erstes Buch geschrieben?“, „Wie lange brauchst du, um ein Buch zu schreiben?“, „Was ist dein Lieblingsbuch?“ etc.) Die kleinen Vorschüler haben solche konkreten Fragen allerdings oft noch nicht. Wenn am Ende Zeit übrig ist, rede ich aber natürlich trotzdem noch einmal gerne übers Geschichtenerfinden. Denn auch die Kleinen denken sich gerne schon etwas aus.
10:45 Uhr – Die erste Vorschulklasse verabschiedet sich begeistert. Manche Kinder umarmen mich sogar, während die zweite Vorschulklasse langsam in die Bibliothek tröpfelt. Dann geht es los mit der zweiten Lesung, die ähnlich abläuft wie die erste. Da ich aber immer versuche, auf die Kinder, ihre Stimmung und ihre Bedürfnisse einzugehen und da die Interaktion natürlich sowieso jedesmal anders aussieht, ist keine Lesung genau wie die andere.
Übrigens würde man bei älteren Schülern je nach Aufmerksamkeitsspanne und Thema oft etwas mehr Zeit ansetzen. Zwischen 60 und 90 Minuten ist der Standard für Schullesungen. Die kleinen Vorschüler schaffen es aber im Normalfall nicht, länger als 45 Minuten ausreichend aufmerksam zu bleiben. Hier ist eine einzelne Schulstunde also oft besser geeignet. Es sei denn, man verbindet die Lesung noch mit einer gemeinsamen Bastelaktion oder Ähnlichem.
11:30 Uhr – Auch die zweite Lesung ist vorüber. Die fast wie berauschten Kinder winken selig lächelnd zum Abschied und werden dick eingemummelt für den Pausenhof. Ich unterhalte mich noch ein wenig mit den Lehrern, höre mir gespannt ihre Eindrücke an und bedanke mich von ganzem Herzen für die schöne Einladung und nette Betreuung. Dann verabschiede auch ich mich.
11:40 Uhr – Mit Bus, Fähre und U-Bahn geht es zurück in die Stadt. – Mit einem glücklich beseelten Gefühl über die gelungene Lesung, die begeisterten Kinder und die hochzufriedenen Lehrerinnen.
12:50 Uhr – Vor meinem nächsten Termin lohnt es sich nicht mehr, nach Hause zu fahren. Also setze ich mich in ein Café, esse eine Kleinigkeit, bestelle einen leckeren Cappuccino und arbeite dann fleißig an meinem nächsten Buch. – Auf dass ich reichlich weitere Kinderbuchlesungen in Hamburg und Umgebung halten darf, um noch eine Vielzahl Kinder für Bücher und fürs Lesen begeistern zu können. Empfehlt mich dafür übrigens natürlich sehr gerne weiter. Ich freue mich schon!??