Das Neue Jahr ist schon schon fast ein Teenager, und entsprechend lange drücke ich bereits die Daumen, dass ihr einen schönen Jahreswechsel hattet und dass 2019 gut für euch begonnen hat. Auf dass es endlich mal wieder ein Jahr wird, das echte Zuversicht aufkeimen lässt. Das wünsche ich uns allen!
Meine hehren Pläne, regelmäßig zu bloggen, drehen mir zwar bereits eine lange Nase, aber immerhin habe ich ein ganz wunderbares Thema, das ich mit euch teilen will. Dieses passt ganz hervorragend zu einem Neuen Jahr und der damit einhergehenden Hoffnung. Denn es geht um die Schreib- und Geschichtenwerkstätten, die bundesweit Autoren für Kinder und Jugendliche anbieten (im Auftrag des Bundesverbandes der Friedricht-Bödecker-Kreise e. V. und im Rahmen des Projektes „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung).
Auch ich habe zusammen mit meiner Kollegin Nadia Malverti zwischen August und Dezember wöchentlich eine solche Schreibwerkstatt im Nachmittagsprogramm der Grundschule Rotenhäuser Damm in Hamburg Wilhelmsburg durchgeführt. (in Kooperation mit dem Haus der Jugend Wilhelmsburg und dem Friedrich-Bödecker-Kreis in Hamburg e. V. – Ich hatte im Juni hier im Blog von der Auftaktveranstaltung dieser Schreibwerkstatt berichtet.) Mit 16 Dritt- und Viertklässler*innen durften wir die Welt der Wörter und Geschichten erkunden. – Eine wahnsinnig spannende, fordernde und bereichernde Erfahrung!
Dazu muss man wissen, dass im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Fast jedes Kind unserer Schreib- und Geschichtenwerkstatt hatten auch Wurzeln in anderen Kulturen. Zwar konnten alle gut Deutsch sprechen, aber schriftlich fühlten sich einige von ihnen noch sehr unsicher. Mit zum Teil viel Beharrlichkeit und ständiger Ermutigung haben wir es aber doch geschafft, selbst die Zögerlichen unter ihnen zum Schreiben zu ermutigen.
Wir haben ihnen vermittelt, dass in jedem einzelnen von ihnen richtig viele Geschichten stecken, die es wert sind erzählt zu werden. Und dass Lesen und Schreiben nicht nur lästige Aufgaben sind, die man in der Schule erledigen muss. „Ich wusste gar nicht, dass Schreiben so viel Spaß machen kann!“, sagte die 9-jährige Rimaya schon in der zweiten Stunde zu uns. – Ein Satz, der lange nachklingt.
Auch andere bewegende Szenen ereigneten sich regelmäßig: Eylin, Hedil und Hatice schrieben rührende Texte über uns Autorinnen, unsere Schreibwerkstatt und über den Traum, selbst einmal Autorin zu werden. Sofia wollte in einer Stunde immer wieder in meiner Nähe sein und erklärte: „Bei dir habe ich immer so viele Ideen.“ Wir wurden regelmäßig mit stürmischen Umarmungen begrüßt, und oft konnten die Kinder es kaum erwarten, dass wir ihre neu verfassten Geschichten lasen und ihre tollen Illustrationen betrachteten.
Zu den für uns einprägsamsten Erlebnissen der Schreibwerkstatt zählt aber auch unser vierter oder fünfter gemeinsamer Nachmittag. Weil schönes Wetter war, wollten wir mit den Kindern auf Entdeckungsreise auf dem Schulhof gehen. Diese Idee wurde aber zu unserer großen Überraschung zunächst abgetan von einem Chor aus „Neeein, wir wollen lieber an unseren Geschichten weiterschreiben!“-Rufen. (Und das, nachdem die Kinder zu Anfang unserer Treffen immer baten, ob wir nicht lieber an die frische Luft gehen könnten.) Wir waren baff!
Dennoch überzeugten wir die Kinder, den Schulhof doch einmal mit Autorenaugen zu betrachten. Und das Ergebnis war phänomenal: Mit Notizheften bewaffnet haben die Kinder diesen ihnen wohlbekannten Ort völlig neu entdeckt – auf der Suche nach Spuren versteckter Geschichten! Mary-Jane und Massira fanden diese in Form einer runden Steinkonstruktion, die sofort ein Märchenbrunnen wurde. Zeenat und Mehtap erforschten Spuren bei den Wurzeln eines Baumes, Yunus an der Baumrinde, Venus und Yodahe bei der Rutsche, Yusuf und Kadri beobachteten die Bäume und anderen Kinder, Viola und Alia kletterten zwischen den Ästen und Blättern herum.
An jenem Nachmittag verwandelte sich die Schule in einen magischen Ort, den jedes einzelne der Kinder hochkonzentriert erkundete. Und noch etwas ist dabei passiert: Die Kinder wurden selbst zu Helden – bewundert von den faszinierten Schulkameraden und zum Teil sogar von ihnen über den Schulhof begleitet.
So schloss sich für uns persönlich ein Kreis. Denn das übergreifende Thema unserer Schreibwerkstatt lautete „Auch Helden fangen klein an!“: Ausgehend von berühmten Superhelden, über die ganz persönlichen Alltagshelden, wollten wir die Kinder ermutigen, auch die heldenhaften oder besonders mutigen Momente ihrer eigenen Biografie zu erkennen – und natürlich auch ganz neue, eigene Geschichten über Mut und Heldentum zu erfinden.
Natürlich kamen am Ende viele klassisch superheldenhafte Geschichten heraus. Aber die Kinder überraschten und begeisterten uns auch immer wieder mit ihren grandiosen und ganz und gar ungewöhnlichen Ideen! Ein wahres Vergnügen für jeden kreativen Menschen!
Das Ergebnis war eine wunderbare Bandbreite an Texten und Geschichten, die wir sowohl in einem echten Buch sammeln als auch bei einer tollen Abschlussveranstaltung allen Eltern und Freunden präsentieren durften. Als Superheld samt Augenmaske und Cape verkleidet las jedes Kind einen eigenenText vor – unterstützt von anderen Kindern, die simple, aber sehr effektvolle Geräuscheffekte mit kleinen Musikinstrumenten machten. Und am Ende erhielten natürlich alle Nachwuchs-Autoren ihre eigenen druckfrischen Bücher.
Die Kinder, die Eltern und wir selbst waren alle begeistert und sehr, sehr stolz! Und ich selbst bin immer noch dankbar, dass ich dieses tolle Heldenabenteuer erleben und bei der Ausbildung einiger Nachwuchs-Helden mitwirken durfte. – Und zum Glück war dies auch noch nicht das letzte Kapitel unserer Helden-Saga. Denn ab Februar geben Nadia und ich an der gleichen Schule, aber für eine ganz neue Gruppe von Kindern, eine zweite Schreib- und Geschichtenwerkstatt. Und im Moment sieht es so aus, als dürften wir sogar bald nach Schleswig Holstein „expandieren“. Wahnsinn, unsere Abenteuer reißen nicht ab. 😀 Ich werde berichten! 🙂