Wie wundervoll doch dieses Leuchten in Kinderaugen ist! Von Kindern, die unbekannte aufregende Welten entdecken. Von Kindern, die völlig neue Fähigkeiten von sich kennenlernen. Und von Kindern, die schier platzen vor stolz, während sie ihre kleinen Kunstwerke ihrem Publikum präsentieren. ??
Vergangenen Freitag fand unsere zweite große Schreibwerkstatt in Hamburg Wilhelmsburg ihren krönenden Abschluss. Das gesamte zweite Schulhalbjahr über hatten meine wunderbare Kollegin Nadia Malverti und ich gemeinsam mit rund einem Dutzend Dritt- und Viertklässler*innen das kreative Schreiben erforscht. Innerhalb des freiwilligen Nachmittagsprogramms der Grundschule Rotenhäuser Damm hieß es entsprechend jeden Donnerstag „Stadt – Land – Heimat. Wilhelmsburg und die Welt. Eine Schreib- und Geschichtenwerkstatt“.
Ermöglicht wurde dieses grandiose Projekt übrigens, genau wie unsere erste Schreibwerkstatt in Hamburg, von dem Programm Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Innerhalb dieses tollen Förderprogramms organisiert der Friedrich-Bödecker-Kreis in Hamburg e. V. bundesweit „Wörterwelten“-Autorenpatenschaften, die vor allem Kinder aus bildungsfernen Familien erreichen sollen.
Multikulti als Schreib-Inspiration?!
Was für eine großartige Möglichkeit! Und wie schön, noch ein zweites Mal mit den Kids aus dem Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg arbeiten zu können. Dieses Viertel befindet sich im Süden Hamburgs und zeichnet sich leider durch ein deutlich unterdurchschnittliches Haushaltseinkommen, eine hohe Arbeitslosenquote und einen ungewöhnlich hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund aus (ca. 60% der Einwohner und fast 80% der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Hamburger Durchschnitt von ca. 35% bzw. gut 50%).
Also eine umso tollere Chance für uns und die Kids, gemeinsam mit Wörtern spielen, kreative Ideen ausloten und coole Geschichten erfinden zu können. Das Ganze stand, wie bereits erwähnt, unter dem Motto „Stadt – Land – Heimat. Wilhelmsburg und die Welt“. Ein ziemlich ambitioniertes Thema, das wir aufgrund unserer ersten Schreibwerkstatt an der gleichen Schule gewählt hatten. (Vgl. hier im Blog: „Schreib- und Geschichtenwerkstätten für ein frohes Neues Jahr„)
Bei der ersten Kindergruppe hatten wir nämlich festgestellt, dass ihre Multikulti-Herkunft eine zentrale Rolle für sie spielte. Auffallend oft sprachen die Kids über ihre verschiedenen Muttersprachen, länderspezifisches Essen, Familientraditionen und ähnliche Themen. Nadia Malverti und ich waren uns also sofort einig, diese verschiedenen kulturellen und geografischen Erfahrungen in unsere kreative Arbeit miteinzubeziehen. Wir statteten uns mit Atlanten, Landkarten und Fotobüchern über die Herkunftsländer der neuen Gruppe aus und entwickelten viele tolle Ideen zu Reiseträumen, Flaschenpost-Texten, Lieblingsorten hier und anderswo, Familienportraits, Zukunftsvisionen über eine ideale Stadt und vieles mehr.
Neue Schreibwerkstatt, neues Programm!
Aber: Keine Kindergruppe ist wie die nächste! Unsere neuen Teilnehmer*innen hatten ganz andere Interessen, waren viel heterogener, an den Donnerstag-Nachmittagen deutlich erschöpfter und unruhiger, und sie hatten auch tatsächlich selten Lust, sich von unseren Kreativ-Impulsen so richtig zum Schreiben inspirieren zu lassen. Wir speckten unser Programm also ab, krempelten alles um, schufen mehr Gelegenheiten zum gemeinsamen mündlichen Erzählen und zum Arbeiten an eigenen, freien Texten.
Hierbei entstand mit der Zeit eine enorme Bandbreite, welche die Verschiedenartigkeit der Kinder noch einmal deutlich macht: Bei Viola und Derya führen beispielsweise anonyme Liebesbriefe zu geheimen Schulhoftreffen. Bei Nurbanu und Sena feiert dagegen eine Teddybären-Familie eine Geburtstagsparty und kleine Tierkinder werden liebevoll umsorgt. Während bei Aminata, Almir und Ajvas Kriege ausbrechen und Donald Trump an Ebola erkrankt. Wahnsinn, wie breit und bunt die Ergebnisse von Kindern sein können, die alle zwischen 8 und 10 Jahren alt sind! ??
Unser Stempel-Workshop mit Constanze Spengler
Wir trafen uns aber nicht nur in der Schule zum Schreiben und Fabulieren, sondern unternahmen auch einen großen Ausflug. Und zwar in die Honigfabrik, das großartige Wilhelmsburger Kulturzentrum und unser Bündnispartner für diese zweite Schreibwerkstatt. Dort trafen wir die wundervolle Constanze Spengler, die mit uns einen richtig tollen Stempel-Workshop veranstaltete. Die Kids lernten, wie sie aus Moosgummi ganz einfach total coole Stempel selber basteln können. Ein riesengroßer Spaß und eine super simple Möglichkeit, der Kreativität freien Lauf zu lassen!
Und da wir in der Honigfabrik waren, konnten wir es uns natürlich auf keinen Fall entgehen lassen, auch der internationalen Kinderbibliothek Miromente einen Besuch abzustatten. Hier sammelt die Honigfabrik Kinderbücher aus aller Welt, und unsere Kinder waren zum Teil richtig aufgeregt, nach Büchern in ihrer Muttersprache zu suchen. Und tatsächlich fanden wir die meisten vertretenen Sprachen und Herkunftsländer: Bosnien, Türkei, Ghana, Mazedonien, Indien, Italien … war alles vorhanden und bereitete den Kids ein seltenes Vergnügen. Also ein mehr als würdiger Abschluss eines rundherum gelungenen Ausflug-Tages für eine Schreibwerkstatt in Hamburg! ?
Unser Bastel-Workshop mit Martin Graf
Ein weiteres Highlight war der Besuch des großartigen Papierkünstlers Martin Graf bei uns in der Schreib- und Geschichtenwerkstatt in Wilhelmsburg. Er brachte uns ganz simple, eigens für uns entworfene (!) Bastelbögen mit, aus denen die Kinder Häuser basteln konnten. – Aber nicht irgendwelche Häuser! Nein, die Kids durften jeweils ihr Traumhaus gestalten – mit verschiedenen Farben, buntem Papier und was ihnen sonst noch so einfiel. So entstand nach und nach eine richtige kleine Traumstadt. Echt cool! ?
Unser Theater-Workshop mit Nadia Malverti
Gegen Ende unserer gemeinsamen Zeit trafen wir uns mit den Schreibwerkstatt-Kindern noch für einen richtig spannenden Theater-Workshop. Nadia Malverti ist nämlich ausgebildete Theater-Schauspielerin und führte mit den Kindern allerlei Spiele für die eigene Stimme, fürs Warmwerden mit der Umgebung und für die eigene Bühnenpräsenz durch. – Was für ein schönes Erlebnis! Denn alle Kinder strahlten um die Wette und man merkte ihnen auch an unserer Abschlussveranstaltung an, wie gut ihnen diese Vorübungen getan hatten. So toll! ?
Eine wunderbare Abschlussveranstaltung für unsere Schreibwerkstatt in Hamburg Wilhelmsburg
Und am vergangenen Freitag war es dann endlich so weit: Alles Schreiben und Malen und Stempeln und Basteln und Fotografieren und Proben und Vorbereiten gipfelte in unserer Abschlussveranstaltung! Vor den Mitschülern, Lehrerinnen, Familien und Freunden las jedes Kind seine eigene Lieblingsgeschichte vor. Außerdem gab es ein kleines Gemeinschaftswerk über die lustigen Straßennamen Wilhelmsburgs. Und nach viel Üben klappte das alles so hervorragend, dass Nadia und ich fast noch stolzer als die Kinder selbst waren. ??
Diese waren vor der Veranstaltung natürlich ziemlich nervös und wollten die eigenen Klassen am liebsten schon wieder ausladen. Aber am Ende waren doch alle restlos begeistert und so stolz, dass ein paar der im Abschiedsfieber befindlichen Viertklässler sogar den Tränen nahe waren.
Ein Besonderes Buch feiert Premiere
Der zweite Höhepunkt nach der tollen Lesung der Kinder war an diesem Vormittag natürlich die Buchpremiere unseres Schreibwerkstatt-Buches „Stadt, Land, Heimat. Meine Welt in Wilhelmsburg“. Nadia und ich hatten eine ganze Weile gebangt, ob es denn auch rechtzeitig ankommen würde. Und Anfang der Woche traf es endlich ein, sodass wir jedem Kind als Überraschung ein paar druckfrische Exemplare überreichen konnten.
Jener Moment, wenn man das erste Mal das eigene Buch aufschlägt, ist ein ganz besonderer im Leben eines Autors. Und genau dieser Moment mit seiner Mischung aus Freude, Verwunderung und Stolz war auch in den Gesichtern der Kinder wunderbar zu sehen. Hach, solche leuchtenden Augen gehören doch zu den schönsten Dingen der Welt, oder was meint ihr?! ?
Nadia und ich waren auf jeden Fall beide sehr gerührt und stolz auf unsere Kids und sind auch ein bisschen traurig, dass unser Kapitel an der Grundschule Rotenhäuser Damm und unsere Schreibwerkstätten in Hamburg Wilhelmsburg nun erst einmal zu Ende sind.
Aber unsere wundervolle Ansprechpartnerin Bettina Holzapfel machte uns Hoffnung, dass wir bestimmt ja auch in der Lehrerschaft etwas Inspiration säen konnten und vielleicht jemand die kreativen Schreibkurse im Nachmittagsprogramm fortsetzen wird. Wie toll wäre das denn bitte?!
Und wer weiß, vielleicht bringt uns ein Schreib-Workshop oder eine Kinderbuchlesung auch mal wieder nach Wilhelmsburg?! Ich drücke auf jeden Fall die Daumen und freue mich jetzt schon! – Genauso wie natürlich auf alle anderen Stadtteile Hamburgs und anderer Städte! ? Wenn du also eine Schule oder Kindergruppe weißt, für die einer unserer Schreibkurse genau das Richtige wäre, empfehle uns gerne weiter. Oder du meldest dich einfach bei mir per E-Mail bei mir. Ich freue mich schon darauf! ?