Vom Kinderbuch leben. – Geht das überhaupt?
Vom Kinderbuch leben. – Geht das überhaupt?

Vom Kinderbuch leben. – Geht das überhaupt?

Katharina Mauder über das Thema "Kinderbuchautor - ein brotloser Beruf", Kinderbuch schreiben Verdienst, Kinderbücher

Wenn man doch nur von Luft und Kinderlachen leben könnte … Das wäre für so manche:n Kinderbuchautor:in die ultimative Lösung, wie DAS! im NDR Fernsehen kürzlich plakativ thematisierte. Das entsprechende Video zeigt eine sehr kurze und prägnante Zusammenfassung über die prekäre finanzielle Seite von Kinderbüchern.

Zwar frage ich mich, woher die Zahlen stammen, und kann nicht jede einzelne davon unterschreiben.* Aber die grundsätzliche Message stimmt: Die Verlagsautor:innen verdienen in der gesamten Wertschöpfungskette Kinderbuch von allen Beteiligten am wenigsten. Und nur wenige professionelle Kinderbuchautor:innen können rein vom Verkauf ihrer Bücher leben.

Stattdessen sind die meisten Kinderbuchautor:innen darauf angewiesen, sich zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zu suchen. Sie halten beispielsweise viele Lesungen in Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Buchhandlungen und für andere Kindergruppen. Sie geben Schreibwerkstätten und andere Workshops. Viele Kinderbuchautor:innen schreiben zusätzlich in anderen Bereichen, zum Beispiel Bücher für Erwachsene, Drehbücher oder auch Marketing-Texte. Oder sie gehen noch einem ganz anderen Brotberuf nach.

Wie viel Verdienst ist beim Kinderbuch zu holen?

Das Problem ist allerdings nicht, dass die Autor:innen einfach nur gnadenlos ausgenutzt werden, während sich andere eine goldene Nase verdienen. Bücher im Allgemeinen und Kinderbücher im Speziellen sind nämlich leider wirtschaftlich gesehen unterkalkulierte Produkte. Das heißt, in ein gutes Kinderbuch fließt deutlich mehr Zeit, Expertise und Mühe, als der Markt bereit ist zu bezahlen. Denn bei sinkenden Auflagen von oft weit unter 5000 Exemplaren reichen grob 10 Euro halt einfach nicht für:

  • Autor:in
  • Illustrator:in
  • Agent:in
  • Programm-Chef:in
  • Verlags-Chef:in
  • Lektor:in
  • Korrektor:in
  • Grafiker:in
  • Hersteller:in
  • Setzer:in
  • Marketing-Mitarbeiter:in
  • Druckerei-Mitarbeiter:innen
  • Lager-Arbeiter:innen
  • Buchhändler:in
  • etc.
    (zusätzlich zu Raum-, Material-, Transport- und anderen Kosten)

Jedem leuchtet ein, dass von einer solch überschaubaren Summe nicht alle gut leben können. Und leider geht im Verlagsbereich diese Zwickmühle doch oft zulasten fairer Autoren- und Illustratorenhonorare.

Wie könnten wir die Verdienstmöglichkeiten Beim Kinderbuch verbessern?

Eine Möglichkeit wäre, dass Kinderbücher einfach deutlich mehr kosten. Und tatsächlich investieren Eltern, Großeltern und Co an anderer Stelle enorm viel Geld in ihre Kinder. Dort ist es selbstverständlich, dass Qualität ihren Preis hat und für die Kleinen das Beste gerade gut genug ist. Aber Kinderbücher müssen aus irgendeinem Grund preislich deutlich unter den Büchern für Erwachsene laufen, um im Markt zu bestehen. (Und das, obwohl neben dem Autor auch noch ein Illustrator seine Brötchen verdienen will. Zudem sind der farbige Druck und die aufwendige Herstellung viel teurer als bei reinen Textbänden für Erwachsene.)

Eine andere vielversprechende Stellschraube sind die Auflagenhöhen, also die Anzahl an Exemplaren, die von einem bestimmten Buch gedruckt werden. Allerdings schnellte nach dem Harry-Potter- und vor allem nach dem PISA-Wahn leider die jährliche Produktion an Kinder- und Jugendbüchern rasant in die Höhe. Von ca. 5.000 Neuerscheinungen in 2005 kletterten die neu veröffentlichten Bücher binnen weniger Jahre auf je nach Quelle gut 9.000 oder sogar gut 10.000 (!!) Stück pro Jahr. – Und wie du weißt, liegt das nicht daran, dass es plötzlich doppelt so viele Kinder gab. 😅 – Inzwischen sind diese Zahlen zum Glück wieder ein wenig gesunken. Nach mehreren Jahren bei rund 9.000, stagnierten die Zahlen nun bei jährlich rund 8.000 Neuerscheinungen (bis einschließlich 2020, vgl. Statista). Es bleibt aber natürlich abzuwarten, wie sich Pandemie, Krieg und in die Höhe schnellende Papierpreise kurz- und langfristig auswirken werden.

Bei so vielen neuen Kinder- und Jugendbüchern pro Jahr ist klar, dass im gleichen Zuge die Auflagen der einzelnen Titel sinken mussten. Genauso wie die Halbwertszeit der Bücher auf dem Markt, bevor sie wieder verramscht oder eingestampft werden. Darunter hat sicherlich an manchen Stellen auch die Qualität gelitten. Insgesamt also eine eher schwierige, wenig nachhaltige Entwicklung.

Eine weitere Möglichkeit sind Unterstützungen aus öffentlichen Geldern, also Stipendien, Kulturförderungen, Wettbewerbe etc. Hier besteht vor allem die große Herausforderung einer in irgendeiner Weise fairen Verteilung.

Und wie geht es nun weiter in puncto Verdienst im Kinderbuch?

Was für diese knifflige Lage die beste Lösung ist, ist beim aktuellen Weltgeschehen schwerer denn je zu beantworten. Höhere Buchpreise im Markt durchzusetzen, ist ein guter Schritt, der aktuell tatsächlich angegangen wird. Da dies aber „nur“ geschieht, um die steigenden Papierpreise auszugleichen, stehen die Autor:innen eher noch schlechter da als zuvor.

Höheren Auflagen und weniger Neuveröffentlichungen sind vielleicht vielversprechend, lassen sich aber sicher nicht von einem auf den anderen Tag durchsetzen. Und die Frage bleibt offen, wie viel dann überhaupt noch jenseits des Bestseller-Mainstreams passieren würde.

Auch das kritische Hinterfragen der prozentualen Verdienstanteile von Autor:in, Verlag und Buchhandel könnte lohnenswert sein. Genauso wie die Forderung vieler Autor:innenverbände nach einem Mindestlohn-Modell. Auch Selfpublishing ist natürlich ein Thema, das aber aufgrund der hohen Druckkosten und geringen Auflagen im Kinderbuchbereich im Normalfall auch nicht dazu geeignet ist, den Verdienst der Autor:innen und Illustrator:innen zu vergrößern.

Was die Förderungen aus öffentlichen oder gemeinnützigen Geldern angeht: Vor der Pandemie herrschte hier oft der Kritikpunkt, dass diese Förderungen nicht für jede:n Künstler:in gleichermaßen zugänglich waren. Oft bekamen immer wieder die gleichen Personen Unterstützung, viele Fördermittel sind mit Altersbeschränkungen versehen etc. Seit der Pandemie passiert aber in diesem Bereich ganz viel Erfreuliches. Da heißt es also abwarten, wie es weitergeht, und Daumendrücken!

Du siehst, es gibt viele Möglichkeiten, die aber quasi alle schwierig umzusetzen sind. Und vielleicht liegt die Lösung letztlich nicht in einer einzelnen Maßnahme, sondern wir brauchen ein bisschen von allem.

In jedem Fall ist  es wohl leider noch ein weiter Weg, bis die Kinderbuchautor:innen auch finanziell ausreichend gewertschätzt werden. Aber immerhin können wir in der Zwischenzeit versuchen, ein allgemeines Bewusstsein für die Problematik zu erzeugen. Also danke, dass du bis hierhin gelesen hast!! 😊 Und vielleicht hast du ja noch weitere Ideen oder Gedanken zu dem Thema. Hinterlasse sie gerne hier in den Kommentaren!

Und wenn du mehr über Kinderbuchautor:innen erfahren willst oder darüber, wie auch du sie ganz schnell und einfach unterstützen kannst, dann lies gerne meine Artikel „Die 12 größten Mythen über Kidnerbuchautor*innen und ihre Bücher“ und „5 Tipps, wie du Selbstständige schnell und kostenlos unterstützen kannst“.

 

*Die Zahlen des NDR-Beitrags (für die ja leider keine Quelle genannt wird) scheinen mir nicht unbedingt repräsentativ. Der Buchhandel behält meist um die 40% vom Ladenpreis (und nur sehr selten 50 oder sogar mehr). Die Autor:innen bekommen ebenfalls weniger als hier genannt (manchmal weitaus weniger!!). Illustrator:innen wurden gar nicht erwähnt. Schade, denn die realistischen Zahlen wären zum Teil noch erschreckender. Aber es ist ja schon einmal erfreulich, dass das Problem überhaupt thematisiert wird. 🫶

 

Lass andere wissen, dass dir dieser Beitrag gefallen hat:

8 Kommentare

  1. Steffen Schurig

    Vielen Dank für die Infos!
    Meine einzige Kritik ist, diese Gendersprache. Jeder vernünftige Sprachwissenschaftler kann Ihnen sagen, dass das eine Katastrophe ist.
    Trotzdem danke?!

    1. Katharina Mauder

      Hallo Steffen,

      vielen lieben Dank für die Rückmeldung. Freut mich sehr, dass Sie den Artikel interessant finden. 🙂

      Sprachwissenschaftler kenne ich allerdings auch einige, die sich in Gebrauchstexten ebenfalls für gendergerechte Sprache einsetzen. Diesen die Vernunft abzusprechen, kommt mir etwas übereilt vor. 😉

      Und wie Sie sich sicher denken können, habe ich selbst mir das auch gut und gründlich überlegt. Aber die inhaltliche Argumentation gehört nicht an diese Stelle.

      Nichts für ungut. Beste Grüße 🙂

      Katharina Mauder

    1. Katharina Mauder

      Hallo Janine,

      freut mich sehr, dass du den Text hilfreich fandest. So soll es sein. 🙂

      Und ja, über gendergerechte Sprache gehen die Meinungen weit auseinander. Meine war auch einmal anders. Da liegt noch ein weiter Weg vor uns. 😉

      Aber wie gesagt: Hauptsache, du fandest den Text trotz anderer Präferenzen hilfreich.

      Liebe Grüße

      Katharina

  2. Asma

    Ich danke für die Info, wollte immer selber eins schreiben, da ich als Erzieherin natürlich einige Ideen habe.
    Doch denke ich nun es wäre der Mühe nicht wert.
    Und zu meinem Vorredner*innen mir sind die nicht Mal aufgefallen bis ich die Kommentare gelesen hab.

    1. Katharina Mauder

      Liebe Asma,

      vielen Dank für deine Rückmeldung! Aber oje, das wollte ich mit dem Text eigentlich nicht erreichen. Ein Kinderbuch schreiben ist eine wirklich schöne und für viele Menschen sehr erfüllende Erfahrung. Ja, man sollte vielleicht das Ziel der Verlagsveröffentlichung kritisch hinterfragen. Aber zum einen gibt es heute ja auch viele andere tolle Wege der Veröffentlichung. Und zum anderen bringt es einfach eine Menge Spaß, sich auf diese Weise kreativ auszutoben. Und letztlich besteht ja auch immer die Chance, dass es mit einem Verlagsvertrag am Ende doch klappt. Also bitte nicht komplett entmutigen lassen!!

      Liebe Grüße 🙂

      Katharina

      1. Nele

        Hallo Katherina!

        Ich bin gerade über deinen Beitrag gestolpert und danke für die Informationen. Kannst du mir erklären was du mit den anderen „tollen Wegen zur Veröfentlichung“ genau meinst?
        Ich bin selber dabei gerade ein Kinderbuch zu schreiben und nun etwas verunsichert.

        Liebe Grüsse

      2. Katharina Mauder

        Liebe Nele,

        erst einmal: Entschuldige bitte die lange Wartezeit auf eine Antwort. Ich bin gerade noch in Elternzeit mit zwei zuckersüßen Rabauken. 😉

        Und zu deinem Kommentar: Oje, das war natürlich nicht Sinn der Sache, dass dich der Artikel auf diese Weise verunsichert. Kinderbücher schreiben ist großartig! Ich kann das wirklich jedem nur empfehlen. Fragen, die du dir dabei stellen kannst: Soll es eine Verlagsveröffentlichung sein oder ist auch einer der diversen Selfpublishing-Wege denkbar? Ist es dir wichtig, mit dem Buch gut zu verdienen oder willst du einfach ein paar (bzw. möglichst viele) Menschen mit deiner Geschichte erreichen? Möchtest du professionelle Autorin werden (und bist du bereit, die Arbeit [!] zu investieren, um Bücher auf professionellem Level zu schreiben) oder siehst du das Schreiben als Hobby an?

        Wohlgemerkt: Keine dieser Antworten ist gut oder schlecht, sondern einfach nur anders. Aber um am Ende zufrieden zu sein, ist es sinnvoll, sich diese Aspekte genau anzuschauen und ehrlich mit sich selbst zu sein: Was liegt dir? Was bereitet dir Freude? Was bist du bereit zu investieren? etc.

        Konnte ich dir mit dieser Antwort ein bisschen weiterhelfen?

        Liebe Grüße und in jedem Fall alles Gute für dich und dein Buch-Baby! 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert